Daheim in Neumagdeburg bei der Untersuchung meiner Schneekugel
Im folgenden möchte ich über meine Teilnahme an einer Schneekugel-Challenge berichten, die Auryn Beorn im Dezember 2011 ursprünglich für ihre fortgeschrittenen Studenten in der Builder's Brewery erdacht hatte. Obgleich ich in den letzten Monaten ihre Kurse nicht besuchen konnte, weil diese zu europäischen Spätabend- oder Nachtstunden stattfinden, stolperte ich zufällig darüber in einer Gruppennotiz dieser Schule. Auf Grund des "interdisziplinären" Konzepts fühlte ich mich sofort angesprochen, es auch mal zu probieren. Den ganzen Hintergrund der Geschichte kann man in Auryns eigenem Blog nachlesen: Christmas Challenge and Winners.
Zweck dieses Wettbewerbs war die Kombination verschiedener Methoden und Techniken in Second Life, namentlich Bauen, Sculpten, Scripten (einschließlich Partikel, Texturen- und Primrotationen, Beleuchtung, Musik und Steuerung von Animationen). Alle Teile der Schneekugel sollte miteinander verlinkt sein. Ein Bauen mit wenigen Prims und wenig Scripten war obligatorisch. Vorzugsweise sollte ein einziges Script das gesamte Objekt kontrollieren. Nicht ausdrücklich erwähnt, aber eigentlich notwendig war ein zumindest ergänzendes Herstellen von Texturen.
Mein Eindruck war, dass ich schon in der Lage sein sollte, die durch die Challenge vorgegebenen Aufgaben schaffen zu können - mit einer wichtigen Ausnahme:
Das gesamte Projekt sollte innerhalb von nur 3 Stunden und 15 Minuten vollendet sein! Aus meinem persönlichen Blickwinkel erschien mir das unmöglich. Ungeachtet all meiner tief empfundenen Bewunderung und des Respekts für Auryn stimme ich nicht mit diesem speziellen Detail der Challenge überein. Warum nur diese Hast? Kreativität und speziell Qualität braucht Zeit. Meine ersten Gedanken waren deshalb auch nicht bei den vier Gewinnern, die ganz sicher großartige Arbeit geleistet haben, sondern bei der Mehrheit von Teilnehmnern, die aufgegeben haben, bevor die geforderten Aufgaben vollständig erfüllt waren. Möglicherweise verließen sie die Sandbox in einem Gefühl des Scheiterns. Ich denke, dass solch engen Zeitvorgaben langsamere Lernende dazu bringen, sich wie "Verlierer" zu fühlen, noch bevor sie auch nur den ersten Handgriff getan haben. Wozu soll das gut sein?
Ich bekenne, dass ich eine langsam Lernende bin, und ich wäre wohl unter denjenigen gewesen, welche die Challenge nicht rechtzeitig gemeistert hätten. Doch sind langsame Lernende wirklich schlechte Baumeister? Ich bin davon überzeugt, dass das nicht stimmt! Daher habe ich mich dazu entschieden, "außer Konkurrenz" mitzumachen, obwohl die Challenge an sich bereits vorbei war und die Gewinner längst bekanntgegeben waren. Mich hat einfach die Idee an sich angesprochen. Mein Beitrag sollte auch als Kompliment an meine verehrte Lehrerin und Freundin Auryn gesehen werden. Gleichzeitig soll er aber auch als Plädoyer verstanden werden, "Langsamkeit zu wagen" im Interesse eines guten Ergebnisses, an dem man etwas lernen und auf das man stolz sein kann. Die Gewinnerin schaffte alles in 5 Stunden mit nur 20 Prims und einem kleinen, aber effizienten Script, wie Auryn mir erzählt hat. Sie muss in puncto Wissen und Fertigkeiten eine Göttin sein! Ich war tief beeindruckt und fühlte mich auch etwas eingeschüchtert. Doch meine Entscheidung stand fest: Ich werde auch eine Schneekugel bauen in einer sehr "Almutischen" Art, wie mein alter schwedischer Freund Jumal Jaxxon meine Werke zu nennen beliebt. Er war es auch, der mich ermutigt hat, dieses Abenteuer einzugehen, auch wenn andere vielleicht viel besser und schneller sind.
Nach Rücksprache mit Auryn war sie so nett, mir alle zu erfüllenden Auflagen auf einer Notecard zusammen mit ihren Dias zu schicken, damit ich mein Glück versuchen konnte. Wir kamen überein, dass ich die äußerst strikten Zeitvorgaben einfach ignorieren könne und es nach eigenem Belieben umsetzen solle. Und genau das habe ich getan:
Am 20. Dezember 2011 studierte ich zunächst Auryns Anforderungen und las sorgfältig die Schritte, die sie festgelegt hatte. Einige Einzelheiten blieben mir noch etwas unklar, so dass ich noch einmal nachgefragt habe und ihre Antworten der (nun schon deutschsprachigen) Spezifikation hinzugefügt habe. Ich räumte mein (virtuelles) Wohnzimmer auf, um genug Platz zum Arbeiten zu haben, und platzierte Auryns Dias an der Wand, um sie immer im Blick zu haben.
Da vorzugsweise nur ein Script verwendet und ein Sitzobjekt als Platz für einen Avatar vorgesehen werden sollte, entschied ich, einen als Sitzplatz gedachten Stern oben auf der Schneekugel zum Rootprim zu machen, welches das Kontrollscript für alle Funktionen einschließlich der Posen enthalten kann. Außerdem sollte dieses Sitzobjekt auch als Partikelemitter für die Schneeflocken benutzt werden.
Ich kam zu der Erkenntnis, dass ich einen Bau der Blockhütte zunächst aus Prims, der anschließend mit dem (mir nicht vertrauten) Inworld-Werkzeug Sculptcrafter nicht genau so umsetzen könne. Also hatte ich einige Zeit in Blender zu investieren, um etwas halbwegs Ähnliches erschaffen zu können.
Der erste Testaufbau
Danach durchstöberte ich einige Quellen für Texturen durch und deponierte einige im Materialordner für dieses Projekt. Als recht ergiebige Quelle für Winterlandschaftstexturen erwies sich der gute alte Linden-Bibliotheksordner Terrain Textures/Terrain Textures - Winter.
Augenscheinlich hatte Auryn diesen zeitaufwendigen, aber wichtigen Schritt nicht ausdrücklich in ihrer Challenge berücksichtigt. Ich denke, sie hat den nächsten Schritt einfach direkt angesagt, nachdem die Zeit für den vorangegangenen abgelaufen war, so dass es nicht direkt verglichen werden kann.
Mit anderen Worten: Ich habe bereits für die Planung und Vorbereitung mehr Zeit gebraucht, als für den gesamten Wettbewerb angesetzt worden war.
Ich begann damit, die Eigenschaften von llSetLinkPrimitiveParams
bezüglich des Rotierens von verlinkten Prims
zu studieren, sowie wie man Texturen in Linksets animieren kann. Auryn gab mir noch einen Hinweis auf llDetectedLinkNumber
,
um den Schlüssel für die Spieluhr zum Drehen zu bringen.
Die allererste Version der Landschaft in der Schneekugel war noch ein grobgezimmerter Versuchsaufbau, bei dem alle Elemente, die beeinflusst werden sollten, mit einfachen Prims dargestellt wurden. Später ersetzte ich sie schrittweise durch ihre gesculpteten Entsprechungen.
In Photoshop erstellte ich einen winterlichen Hintergrundhimmel und brachte ihn auf dem inneren Teil der Kugel auf, während ich die Außenseite transparent gemacht habe. Ich nehme an, dass dies der einzige Teil des ganzen Projekts war, bei dem ich den gegebenen Zeitrahmen unterboten habe.
Danach habe ich das Brunnenbecken gesculptet. Anfänglich begann ich meine Arbeit in Rokuro, aber wechselte schon recht bald zu Blender. Bei dieser Gelegenheit entdeckte und korrigierte ich gleich noch einen Fehler in meinen eigenen Blender-Notizen.
Blender-Blockhaus
Im Gegensatz zum ursprünglichen Wettbewerb entschied ich mich dafür, das Blockhaus und den Springbrunnen nicht einfach nur auf eine plane Zylinderoberfläche zu stellen, sondern in ein gesculptetes Diorama mit einigen Bergen und einem kleinen See einzupassen. Das Blockhaus selbst wurde vollständig in Blender gemacht, und zwar unter Anwendung der Technik des fraktionalen Sculptens, die in Gaia Clarys großartigem Machinmatrix Leiter-Tutorial erklärt wird. Allein für diesen Teil habe ich drei oder vier konzentrierte Abende verwendet, um alle für das Blockhaus benötigten Teile zu bauen. Der nächste Abend war für das Sternenkarussel reserviert, das aus einem einzigen in Scheiben geschnittenen und neu arrangierten Blender-Sculptie besteht, und ein weiterer wurde für den Schlüssel der Spieluhr benötigt. Schließlich machte ich noch einen fünfzackigen Stern als Sculpt, der als Sitzgelegenheit oben auf der Glaskugel vorgesehen war. Das war schon recht zeitaufwendig, doch ich denke, dass es die Mühen wert wart. Meine Freundinnen Nadja Straaf und Gabriele Drechsler halfen mir dabei durch die Erklärung, wie man Sculptie-Teile biegen kann bzw. wie man geometrische Objekte kreieren kann. Eine weitere Fertigkeit, die ich in Blender gelernt habe, war das direkt auf Objekte malen, das ich beim Kolorieren der Tannenbäume angewandt habe. All diese neu erworbenen Techniken resultierten in neue Tutorial-Seiten meiner eigenen kleinen Blender-Referenz.
Schließlich vollendete ich das Diorama mit einer Miniaturausgabe von mir selbst, weil Jumal beanstandet hatte, dass so eine Winterlandschaft schon eine Spur von Leben zeigen sollte und jemand als Bewohner des Blockhauses erkennbar sein sollte. Und ich hatte das Gefühl, dass er damit recht hat.
Die fertiggestellte Schneekugel mit Posen-Funktion
Beginnend mit dem Springbrunnen fügte ich einiges an Partikeleffekten hinzu. Obgleich eigentlich ein nur zeitweiliges Einbringen
gescripteter Partikelsysteme gefordert war, fand ich einen Weg, über die Funktion llLinkParticleSystem
Schneefall
und Kaminrauch über das zentrale Steuerungsscript schaltbar zu gestalten. Nun muss ich zugeben, dass ich nicht gerade eine
Partikelexpertin bin, so dass ich doch ein wenig Zeit zum Ausprobieren benötigt habe. Erfreulicherweise erwies sich das freie
"EZ" Partikelgenerator-HUD als wirklich große Hilfe, das ich in Auryns Kursen kennengelernt hatte.
Zwei Tage später gelang es mir, die Grundidee aus einem beeindruckenden, aber für meine begrenzten Zwecke schon zu hochgerüsteten Multi-Pose-Sitzsystem zu extrahieren, das ich über das deutsche SL Info-Forum. gefunden hatte. Ohnehin hatte ich schon länger geplant, ein menügesteuertes Sitzsystem zu entwickeln, sodass dies ein netter Nebeneffekt war. Mein zunächst separat entwickeltes Sitzscript (ich habe keine Ahnung, ob Auryns Studenten etwas ähnliches im Laufe der Kurse erstellt haben) ist in der Lage, bis zu 12 Animationen selbstständig zu erkennen und über ein sortiertes, sinnvoll nummeriertes Menü aufrufbar zu machen. Doch um ehrlich zu sein, traten dabei noch kurz vor Ende des Projekts unerwartete Probleme mit dem Setzen und speziell Wechseln von Animationsberechtigungen auf. Inkspots Voom und Elke Wylie, zwei erfahrene Freundinnen, waren aber so nett und geduldig, mir beim Problemlösen mit so manchem Rat zur Seite zu stehen und meinen Code durchzugehen. Gemeinsam beseitigten wir einige Fehler in dem einzelnen Script, das am Ende mehr als 460 Zeilen umfassen sollte.
Das Erstellen der statischen Posen mit QAvimator war der spaßige Teil, wenngleich es einen ganzen Abend gebraucht hat, um eine für Sitz-, Liege- und Standposen gleiche Position zu ermitteln und im Script festzuhalten.
Letzter Teil der Scriptingaufgabe war die Integration der Spieluhr-Funktion. Binnen zwei Abenden gelang es mir, sowohl die Musik mit Audacity zu schneiden als auch Auryns Grundscript aus ihrem "Music!"-Kurs so anzupassen, dass es beim Abspielen in einer Schleife läuft.
Die Funktionen des Scripts umfassen:
Das Schneekugel-Projekt, das ich als scheinbar begrenzte Aufgabe begonnen hatte, entpuppte sich als das größte und aufwendigste Projekt, das ich bis jetzt durchgeführt habe. Je mehr ich mich in all die zu beachtenden Einzelheiten vertiefte, desto mehr wuchs meine Bewunderung für die wenigen, die all dies in ein paar Stunden geschafft hatten. Auf der anderen Seite lernte ich selbst eine Menge: Einiges an neuem Wissen, das ich teilweise nun auch mit anderen über meine Webseiten teile, vor allem aber über den Wert von Freundschaft in Second Life, wenn sie mehr bedeutet als nur ein Name in einer endlosen Liste.
Für den Abschluss der Schneekugel-Challenge habe ich ungefähr 80 Arbeitsstunden benötigt. Das ist das Zwanzigfache der Zeit, die für den ursprünglichen Wettbewerb zugestanden worden war! Ich denke, das geht aber schon in Ordnung, weil ich all die Zeit immer noch meinen Spaß hatte (obgleich ich die Arbeit während eines Workshops zum Erstellen von Machinimas auch für fünf Wochen hatte ruhen lassen).
Wettbewerbe wie diese können kreative Leute dazu ermuntern, sich selbst zu übertreffen und ihre persönlichen Grenzen zu verschieben. An einem Projekt zu lernen ist stets ein effektiver Weg, sich neues Wissen anzueignen und anzuwenden. Und ich persönlich freue mich schon auf weitere Challenges wie diese, die von Auryn mit so viel Liebe vorbereitet worden sind. Allerdings hoffe ich darauf, dass sie beim nächsten Mal doch einiges mehr an Zeit gewähren möge, um eine eigene Lösung zu entwickeln und umzusetzen. Langsamere und noch nicht so erfahrene Lernende sollten eine wirklich faire Chance bekommen, all die Aufgaben auch erledigen zu können.